Arbeitsrecht: Neues und Altbekanntes zum Urlaubsrecht

Arbeitsrecht: Neues und Altbekanntes zum Urlaubsrecht

Das Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) regelt, dass jedem Arbeitgeber jährlich mindestens 24 Werktage (dies entspricht bei einer 5-Tage-Woche 20 Arbeitstage) jährlich zustehen. Der Arbeitgeber kann mit dem Arbeitnehmer vertraglich eine höhere Anzahl an Urlaubstagen vereinbaren; auch Tarifverträge sehen häufig eine höhere Zahl an Urlaubstagen vor. Daher wird zwischen dem sog. Mindesturlaub (nach dem BUrlG) und dem Mehrurlaub unterschieden. Grundsätzlich folgen beide den gleichen Regeln; die Arbeitsvertragsparteien können jedoch hinsichtlich des Mehrurlaubs ausdrücklich besondere Vereinbarungen treffen. So ist eine Vereinbarung zulässig, nach der Ansprüche auf Mehrurlaub am Ende des Kalenderjahres verfallen, unabhängig davon, aus welchem Grund der Urlaub nicht genommen worden ist (z.B. wegen Krankheit). Hinsichtlich des Mindesturlaubs sieht dagegen § 7 III BUrlG zwingend bei dringenden betrieblichen oder in der Person des Arbeitnehmers liegenden Gründen eine Übertragung auf das nächste Kalenderjahr vor, wobei der Urlaub dann in den ersten drei Monaten gewährt und genommen werden muss. Der Arbeitnehmer muss seinen Urlaub im Übertragungszeitraum im eigenen Interesse geltend machen, selbst wenn er etwa nach längerer Krankheit erst Anfang März des Folgejahres wieder gesund wird und sich verpflichtet fühlt, seine Arbeitsfähigkeit nicht gleich mit dem Verlangen nach Urlaub anzuzeigen. Verlangt er seinen Urlaub nicht, dann verfällt er.

Bekanntlich wird der volle Urlaubsanspruch erstmalig nach sechsmonatigem Bestehen des Arbeitsverhältnisses erworben (Wartezeit). Während dieser Zeit erwirbt der Arbeitnehmer den sog. Teilurlaub: für jeden vollen Monat des Bestehens des Arbeitsverhältnisses entsteht ein Zwölftel des Jahresurlaubs. Wenn das Arbeitsverhältnis aufgrund eines Feiertages oder Wochenendes nicht am Monatsersten, sondern erst am darauf folgenden Montag beginnt und im Vertrag dieses Datum als Beginn des Arbeitsverhältnisses angegeben wird, muss bei der Ermittlung der Höhe des Teilurlaubs also genau gerechnet werden, wie viele volle Monate das Arbeitsverhältnis tatsächlich besteht. Ergeben die zusammengerechneten Urlaubstage Bruchteile von mindestens einem halben Tag, dann ist aufzurunden.

Der Teilurlaub, der im laufenden Jahr wegen der Wartezeit nicht genommen werden konnte, ist auf Verlangen des Arbeitnehmers auf das nächste Kalenderjahr zu übertragen. Dieser Wunsch des Arbeitnehmers auf Übertragung des Teilurlaubs muss jedoch eindeutig feststehen: macht er seinen Urlaub einfach nicht geltend, verfällt er. Dieser Urlaub muss nach der Gesetzeslage nicht innerhalb des ersten Quartals gewährt und genommen werden, bildet also eine Ausnahme zum Grundsatz des Verfalls von nicht bis zum 31.3. des Folgejahres genommenen Urlaubs.

Selbstverständlich kann in einem Tarifvertrag oder Arbeitsvertrag geregelt werden, dass der Arbeitnehmer den in einem Kalenderjahr nicht genommen Urlaub auch ohne besondere Begründung in das erste Quartal des Folgejahres übertragen kann; auch der Übertragungszeitraum kann verlängert werden.

Was passiert, wenn der Urlaub wegen Krankheit auch im ersten Quartal des Folgejahres nicht genommen werden kann?

Was aber passiert, wenn mangels anderweitiger Vereinbarung nur das BUrlG anwendbar ist und der Urlaub wegen Krankheit auch im ersten Quartal des Folgejahres nicht genommen werden kann? Der europäische Gerichtshof hat bereits im Januar 2009 entschieden, dass die deutsche Regelung, wonach der Urlaub zwingend mit Ablauf der Befristung am 31.3. des Folgejahres verfällt, europarechtswidrig ist. Folgerichtig war die Frage zu beantworten, ob und wie lange der Urlaubsanspruch bei u.U. langjähriger Erkrankung übertragen und über die Jahre angesammelt werden konnte. Denn in einer anderen Entscheidung kam der EuGH zu der Erkenntnis, dass das unbegrenzte Ansammeln von Urlaubsansprüchen aus mehreren Bezugszeiträumen nicht dem Zweck des Anspruchs auf bezahlten Urlaub entspricht.

Dieses Problem wurde erst mit der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 7.8.2012 für die Praxis zufriedenstellend dahingehend gelöst, dass unter unionskonformer Auslegung des insoweit einschlägigen § 7 III BUrlG ein Übertragungszeitraum von 15 Monaten als ausreichend angesehen wurde.

Die Entscheidung des EuGH aus dem Jahre 2009 führte zu einem neuen Verständnis des Urlaubsbegriffs. Während er zuvor unter dem Blickwinkel der Befreiung von der Arbeitspflicht gesehen wurde, kam jetzt als weiteres wesentlich Element der Gesichtspunkt der Bezahlung hinzu. In den folgenden Jahren ergingen mehrere Entscheidungen, in die dieses neue Verständnis des Urlaubsanspruchs einfloss.

Am 9.8.2011 entschied das BAG folgerichtig, dass der am Ende des Arbeitsverhältnisses bestehende Urlaubsabgeltungsanspruch tariflichen Ausschlussklauseln unterfällt; wird der Geldanspruch nicht rechtzeitig geltend gemacht, ist er verfallen. Diese Rechtsprechung wurde mit Urteil vom 12.3.2013 weitergeführt.

In der Entscheidung vom 13.6.2013 erkannte der EuGH, dass beim Wechsel von Vollzeit in Teilzeit dem Arbeitnehmer ein nach der ursprünglichen Arbeitszeit zu berechnender Urlaubsanspruch zustehe; auch dies ist eine Folge des neuen Verständnisses des Urlaubs als auch finanzieller Anspruch.

Die Entscheidung des BAG vom 6.8.2013, in der sich das Gericht nicht nur mit der Abgeltung desjenigen Urlaubs beschäftigt , der wegen Krankheit nicht genommen werden konnte, sondern dem dortigen Kläger Schadensersatz für rechtzeitig beantragten, aber vom Arbeitgeber schuldhaft nicht gewährten und wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr in natura gewährbaren Urlaub zuspricht, steht nicht unmittelbar in diesem Kontext; derartige Schadensersatzansprüche sind seit längerem bekannt.

Mit seiner Entscheidung vom 6.5.2014 hat das BAG klargestellt, dass der Mindesturlaubsanspruch für den Arbeitnehmer auch dann entsteht, wenn dieser mit seinem Arbeitgeber für längere Zeit unbezahlten Sonderurlaub vereinbart hatte. So kann es möglich sein, dass ein Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis ruht (er arbeitet nicht und erhält auch keine Vergütung), bei seinem Ausscheiden für den abzugeltenden Urlaub eine Vergütung erhält. Das Gericht hielt die laut Arbeitsvertrag der Parteien geltende tarifliche Regelung, wonach der Urlaubsanspruch für jeden Monat des Ruhens um 1/12 gekürzt wird, für unwirksam, weil sie gegen § 13 I 1 BUrlG verstößt (der gesetzliche Mindesturlaub kann nicht durch Tarifvertrag – erst recht nicht durch Arbeitsvertrag- gekürzt werden). Eine vergleichbare Kürzungsregelung in einem Gesetz (z.B im Bundeselterngeldgesetz, BEEG, § 17 I) stelle keinen allgemein gültigen Grundsatz auf, dass in einem ruhenden Arbeitsverhältnis auch der Urlaubsanspruch „ruhen“ solle. In anderen Konstellationen habe der Gesetzgeber nämlich gerade keine Kürzung des Urlaubsanspruchs im ruhenden Arbeitsverhältnis vorgesehen (z.B bei der Pflegezeit).

Einen weiteren Anstoß zur Überprüfung seiner bisherigen Rechtsprechung zum Urlaubsrecht gab der EuGH in seiner Entscheidung vom 12.6.2014. Bislang ging das BAG davon aus, dass wegen der höchstpersönlichen Natur des Urlaubanspruchs auch Urlaubsabgeltungsansprüche nur vom AN selbst geltend gemacht werden könnten. Endete ein Arbeitsverhältnis daher nicht aufgrund Kündigung oder Aufhebung, sondern aufgrund Todes des Arbeitnehmers, dann verfielen auch die Ansprüche auf Abgeltung nicht genommenen Urlaubs. Nach Ansicht des EuGH verstößt diese Handhabung gegen Art. 7 der europäischen Arbeitszeitrichtlinie 2003/88/ EG. Die Folge wäre, dass der/die Witwe/r eines Arbeitnehmers finanziellen Ausgleich für nicht genommenen Urlaub des verstorbenen Ehegatten beim ehemaligen Arbeitnehmer verlangen könnte. Es ist zu erwarten, dass die deutsche Rechtsprechung diese Auffassung teilt, das BAG seine bisherige Rechtsprechung ändert und der neuen Sichtweise des Urlaubs als geldwerten Anspruch ein weiterer Baustein zugefügt wird.

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